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Gefangen unter zwei Decken bahnt sich meine Hand langsam einen Weg aus der wohltuenden Wärme heraus und betastet vorsichtig mein Gesicht. Meine Nase gleicht von Temperatur und Gefühlsempfinden einem leicht angetauten Kühlakku und ich frage mich, wie tief die Krater unter meinen Augen am nächsten Morgen wohl sein werden. Es ist zwei Uhr nachts. Ich rolle mich fester in die Decken ein und lasse mich erneut von dem tiefen schwarz des Waldes verschlucken, der meinen kleinen Camper wie eine bedrohliche Armee umzingelt.

Mikroabenteuer. Vanlife. Camperlifestyle – Vielleicht auch Campingurlaub. Wer weiß schon, wie man auf neudeutsch heutzutage sagt. Zusammen mit meinem kleinen Camper möchte ich die Südpfalz ein wenig erkunden und die wunderschönen Wanderwege zu meinen eigenen kleinen Trail-Erlebnissen machen. Nach ein bisschen Recherche und Herumfragerei, habe ich mir das Dahner Felsenland ausgeguckt:

Das Deutsche Wanderinstitut hat 2019 das Dahner Felsenland als „Premium Wanderregion“ ausgezeichnet und diese Auszeichnung somit zum 1. Mal in der Pfalz vergeben. Auf zwölf Premiumwanderwegen, den so genannten „Felsenland-Touren“, kann man auf schmalen und verwunschenen Pfaden monumentale Sandstein-Türme und Felsen erleben und sagenumwobene Burgruinen entdecken (vgl. www.dahner-felsenland.net , Stand Oktober 2020). Klingt gut. Also:

Auf den Parkplatz, fertig, los!

Gerade erst auf den Parkplatz gerollt, springe ich bereit zur feindlichen Übernahme mit meinen Laufschuhen bewaffnet, aus dem Camper.

Schnitzeljagd für große Menschen

Obwohl man sicherlich die Strecke auf die Uhr laden könnte, möchte ich mich ganz „oldschool“ nach bunt markierten Hinweisschildern richten, die meiner Meinung nach jetzt schon einfach kreuz und quer in alle Richtungen zu zeigen scheinen.

Dahner Felsenpfad

Schon nach wenigen Metern erwartet mich der erste kleine Anstieg. Über Felsbrocken, Wurzeln und haufenweise roter Erde erklimme ich den Pfad zu einer kleinen Aussichtsplattform. Meine Oberschenkel sind im wahrsten Sinne des Wortes jetzt schon Feuer und Flamme, während meine Uhr mir verkündet, dass ich schon ganze 800m Strecke gelaufen bin. Welch‘ Freude. Aber wer oben ist, darf auch wieder herunterfliegen. Und so schwebe ich den Hügel hinab, lasse ich die wunderschönen Felssteine bald hinter mir und finde mich auf einem breit ausgetretenen Feldweg wieder.

Nach einigen hundert Metern geht es erneut auf einen kleinen Trampelpfad tiefer in den Wald hinein. Ich jauchze und springe über die kleinen Wurzeln, die in wilden Mustern die Wege durchziehen. Volle Konzentration voraus, übersehe ich das eine oder andere kleinere Hinweisschild und wundere mich immer wieder, wenn die Wege plötzlich ins Nichts verlaufen. Rückwärtsgang – Wenden in drei Zügen. So mache ich die eine oder andere Kehrtwende auf den Pfaden, die nicht selten von grinsenden Wanderern begleitet wird.

Ich sauge die bunt getünchte Landschaft förmlich in mir auf. Vor und neben mir türmen sich gigantische Felsformationen auf, an denen ich immer wieder fasziniert stehen bleibe. Ich hinterlasse tiefe Fußabdrücke in der weichen roten Erde und atme die warme Schwere des Nadelduftes ein. Viel zu schnell ziehen die Kilometer vorbei. Noch ein letzter kleiner Anstieg, bevor es auf einem ausgelatschten Waldweg zurück zum Start geht. Ein grandioser Einstieg in ein hoffentlich tolles Abenteuer.

Zeit, um mir ein Nachtlager zu suchen

Grundsätzlich ist das Übernachten in einem Fahrzeug in Deutschland nicht verboten:

Das Parken und somit auch das Übernachten zur Wiederherstellung der Fahrtüchtigkeit ist überall dort erlaubt, wo es laut §12 der StVO „Parken und Halten“ nicht verboten ist oder kenntlich gemacht wird. Wird jedoch eindeutig auf einem Parkplatz campiert, indem man beispielsweise Möbel oder Markisen aufstellt, ist das Übernachten eine genehmigungspflichtige Sondernutzung und kann durch Bußgelder geahndet werden.

In vielen anderen Ländern ist auch das einmalige Übernachten in Fahrzeugen strikt verboten, so wie etwa in Dänemark, Griechenland, Kroatien oder den Niederlanden.

Da im gesamten Gebiet überall nette Schilder aufgestellt sind, die das Parken von Wohnmobilen nachts ausdrücklich verbieten, entscheide ich mich, auf offizielle Wohnmobilstellplätze auszuweichen. Der heutige Stellplatz ist an einem wunderschönen See gelegen und kann sogar mit Strom und einer Toilette aufwarten. Der pure Luxus!

Je später der Abend und je dunkler die Nacht wird, desto glücklicher bin ich darüber, hier nicht alleine zu stehen. Bei warmen Kaffee, Tee und einem guten Buch, lasse ich den Tag ausklingen – Was soll man auch sonst mitten im stockfinsteren Wald ohne Internet oder digitale Medien machen?

Tag 2 – Irgendwas ist immer

Noch mit mir hadernd, ob ich wirklich der wärmenden Decke entflüchten sollte, packt mich mein sicheres Hungergefühl und zwingt mich aufzustehen. Das Thermometer zeigt 2.5°C an und anhand meiner tiefgefrorenen Nase kann ich das nur bestätigen. Bei Standheizung und Kaffee versuche ich langsam meinen Körper wiederzubeleben und gucke mir die nächste Premiumrunde für heute aus.

Lass uns ein paar Bären jagen – Der Bärensteig

Dach einklappen – Gasflasche zudrehen. Die wilde Fahrt kann weitergehen. Da es in der Südpfalz scheinbar ein Überangebot an „Durchfahrt verboten“ und „Tempo 30“ Schildern gab, komme ich nur im Schneckentempo voran. Aber die Batterie und ladewütige Elektrogeräte freuen sich dafür umso mehr.

In gemütlichem Tempo starte ich meine Tour über den Bärensteig. Die ersten paar Kilometer geht es über breite Fahrwege stetig bergauf. Ich frage mich, ob der Bärensteig wohl seinen Namen bekommen hat, weil hier selbst Bären ohne den Bauch einzuziehen hoch kommen würden. Nach einer kurzen Pause auf der Aussichtsplattform, geht es mit einem Mal steil der Berg hinab.

Wurzeln hier, Steinblöcke da. In Serpentinen führt der Weg an einer traumhaft gelegenen Bank mit einer grandiosen Aussicht vorbei.

Ich mache eine kurze Pause und kann meinen Blick kaum von dem Farbspiel der bunten Blätter lösen.

Der Weg wird wieder breiter. Ich lasse die Gedanken schweifen, oder anders gesagt: Ich bin unkonzentriert.

Und da passiert es

Einfach so, aus dem Nichts heraus. Ein Bär…

Nein, kein Bär. Ich knicke um. Ohne ersichtlichen Grund. Kann nicht mehr auftreten. Mein Blickfeld wird immer schmaler. Schwarze Sternchen tanzen in meinen Augenwinkeln. Und es rauscht in den Ohren. Kraftlos lasse mich auf den Boden fallen – Fühle mich verzweifelt und allein.

Hallo Kreislauf? Bist du noch da?

Ich sitze mitten im Wald und der feuchte kalte Boden heftet sich an meine Hinterseite. Der Schmerz in meinem Fußgelenk kriecht langsam die Beine empor. Ich versuche mich zu beruhigen. Tief durchzuatmen. Nach ein paar Momenten, stehe ich wieder auf – Und kann den Fuß belasten. Ich taste mich vorsichtig ein paar Schritte weiter und werde wieder ruhiger. Die schwarzen Flecken in meinen Augenwinkeln möchten dann auch gerne aus der Kinderabteilung abgeholt werden.

Ich habe Glück im Unglück. Mit jeder Minute wird der Schmerz weniger. Irgendwie muss ich die 7 Kilometer zurück zum Parkplatz kommen. Es sei denn, ein freundlicher Bär begegnet mir und nimmt mich direkt mit. Ich humpel mich den Berg hinab und traue mich bald wieder auf gerader Fläche zu laufen. Auf jeden Schritt konzentriert, achte ich nicht auf die orangefarbenen Bärenschilder, die mir den Weg weisen sollen. Nach 500 m Umweg kehre ich um. Ich bin hungrig und desorientiert. Die Kälte ergreift langsam Besitz von mir und macht der Verzweiflung, die sich in meinem Bauch ausbreitet, ziemliche Konkurrenz. Ich sehne mich nach menschlicher Nähe. Nach jemandem, der mir Mut zuspricht und den Weg kennt. Aber ich bin alleine.

Halb spazierend, halb laufend setze ich meinen Weg fort. Ich komme nur quälend langsam voran. Obwohl sich der Weg langsam zu einer echten Sahnekuchenstrecke mausert, bin ich nur mit halbem Herzen dabei. Ich möchte gerne einfach nur zurück zum Camper.

Nach etwas über 2 h komme ich wieder am Startpunkt oder wie ich sage: „beim freundlichen Bären“ an. Ich hülle mich in eine dicke Decke, krame nach einer Packung Schokolebkuchen und überlege, die Tour jetzt und sofort abzubrechen.

Fortsetzung folgt…

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Ein Vantastisches Abenteuer – Mit dem Camper in der Südpfalz (Teil 1)

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