Die Sonne scheint, der Schnee glitzert. Das Gipfelkreuz ragt majestätisch über mir, während ich mich vorsichtig den Berg hinab arbeite. Wie ein Skispringer stehe ich in der steilen Abfahrt, blicke in die Tiefe hinab. Sehe wie loser Schnee in leichten Bahnen ins Nichts herab tanzt. Und hoffe inständig, dass die Bänder an meinen Schuhen halten werden…
Samstagmorgen. Mit Sack und Pack und Wanderschuhen stehe ich pünktlich am heutigen Treffpunkt – Zum Schneeschuhwandern, zur Hüttentour und zu einem kleinen Abenteuer abseits der gewohnten Pfade. Zusammen mit einem Guide und sieben weiteren Anfängern wollen wir die kleinen großen Gipfel der Voralpen erobern.
Schneeschuhe sind im herkömmlichen Sinne Platten, die man mit Schnallen unter seinen Wanderschuhen befestigen kann. Durch die größere Auflagefläche verteilt sich das Gewicht des Wanderers auf dem Schnee, so dass ein Einsinken im weißen Nass vermieden wird. Zudem besitzen sie kronenförmig angeordnete Zacken unter den Sohlen, die sich als Widerhaken einbohren und so das Rutschen reduzieren.
Schaufelglück
Nachdem ich meine ganz persönliche Fähnlein-Fieselschweif Ausrüstung zu Hause zusammengekramt habe und stolz darüber bin, den kleinsten Rucksack dieser Welt zu tragen, stehe ich nun etwas planlos in der Landschaft herum: Zur Leihausrüstung gehören neben Schneeschuhen und -stöcken auch ein LVS-Gerät (Lawinensuchgerät), das um den Bauch geschnallt wird, als auch Lawinensonde sowie Schaufel, die im Gepäck verstaut werden müssen. Und zu allem Überfluss ist damit keine Miniaturschaufel gemeint, sondern ein metallisches Instrument, das in jedem Hüttenkrimi die Hauptrolle spielen würde. Mit meinem geballten Tetris-Kenntnissen der letzten Jahren bin ich schließlich abgehbereit – Auf zum ersten Gipfel.
Im Entchenmarsch
Wie ein echter Cowboy nähern wir uns der Piste, auf der uns Skifahrer entgegen sausen. Im Entchenmarsch folgen wir in gerader Linie dem Guide den Berg hinauf. Darauf bedacht uns nicht selber auf den Füßen zu stehen, liegt der erste kleine Anstieg schnell hinter uns. Verschnaufpause – Jacken wechseln.
Es geht weiter der Sonne entgegen. Ich lasse meinen Blick über die Bergkämme schweifen und verliere mich in der Schönheit der Landschaft. Träume mich weit weg und bin doch ganz bei mir. Fast schon meditativ lasse ich meine Stöcke in den Schnee absinken, höre nichts als meinen vertrauten Rhythmus und das Klappern der Schuhe. Mir steigt der warme Geruch der kalten Nadelwälder in die Nase und ein breites Lächeln zieht sich über mein Gesicht. Wandersglück.
Gemeinschaftlich beschließen wir den Raukopf (1691 m) als ersten Gipfel zu erklimmen. Ich folge den anderen über ein Stück Stacheldraht und finde mich bald in einem steilen Hang wieder. Wir erfahren, dass sich an der Ferse der Schneeschuhe ein Metallbügel befindet, durch dessen Hochklappen sich der Aufstieg erleichtert. Wie auf Stöckelschuhen tapse ich den anderen hinterher und stehe bald vor der imposanten Kulisse. Bergliebe lässt grüßen.
Ein Vorteil an Schneeschuhen ist, dass sie im Schnee nicht einsinken – Der Nachteil ist, dass sie im Schnee nicht einsinken.
Wie ein Skispringer stehe ich im Berg und tapse mich vorsichtig hinab. Meine Fußspitzen zeigen in Fallrichtung und ich gleich mit. Nach Gewichtverlagern und Verlagerungsgewichten schaffe ich es schließlich den ersten kleinen Hügel hinab und bin erleichtert, als die Hütte nicht mehr fern ist.
Zimmer beziehen – Kaiserschmarrn vernichten.
Nach einer warmen Nacht und Weißwurst-Frühstück am Morgen, stehen wir frisch gestärkt in den Startlöchern. Am heutigen Tag wollen wir die Rotwand (1884 m) besteigen und anschließend ins Tal hinab wandern. Mit viel Gelache und noch mehr Geschnaufe staksen wir den Berg hinauf und erreichen schon bald die ersten Felsnasen auf dem Weg zum Ziel.
Vorsichtig setze ich auf dem schmalen Pfad die Füße voreinander. Achte darauf, dass sich die Schneeschuh-Zacken in den Boden bohren und ich mein Gewicht über der Ferse verteile. Bleibe immer wieder stehen und lasse die Landschaft auf mich wirken. Bin verliebt in die Sonne, den Himmel, die schneebedeckten Gipfel.
Brich dir keinen Zacken aus der Krone
Wir queren einen Hang, lernen wie man auf steilen Passagen voran kommt. Immer wieder bricht der Schnee unter unseren Füßen weg. Doch erst nachdem wir den wunderschönen Gipfel erreicht haben, erwartet das große Finale…
„Ein Gipfel gehört dir erst, wenn du wieder unten bist, denn vorher gehörst du ihm“ (Hans Kammerlander)
Ich beobachte fasziniert, wie sich Skifahrer in die Tiefe stürzen, ehe mir bewusst wird, dass ich den selben Weg auch zu bezwingen habe. Augenblicklich spüre ich mein Herz wild schlagen – Schmetterlinge aufsteigen. Mit meinen Fußspitzen in Richtung Tal mache ich die ersten Schritte auf der schiefen Ebene. Lasse ich mich nach unten gleiten und werde gleichzeitig durch den Griff der Zacken gebremst. Schneemassen bahnen sich ihren Weg und ich gleich mit. Ich atme tief ein. Bekomme mehr und mehr ein Gefühl für das Absteigen, den Berg, die Schuhe. Schritt für Schritt nähere ich mich dem sicheren Boden. Mache noch einen oder zwei letzte Schritte und komme schließlich viel zu schnell unten an.
Bei vielen netten Gesprächen und mit noch netteren Menschen lasse ich die Berge hinter mir – Und bin mir sicher, schon bald zurückzukehren.