Warme schwere Luft schlägt mir entgegen, während ich mich etwas unsicher und mit vollem Laufrucksack dem bunten Teilnehmerfeld nähere. Endlich ist es soweit. Nach Jahren des Liebäugelns mit Wüstenrennen und Etappenläufen, hab ich mich nun endlich hier her getraut – Zum Half-Marathon des Sables.
„MDS legendary“ und „Marathon des Sables“
Der ursprüngliche Marathon des Sables wird mittlerweile „MDS legendary“ genannt und ist ein 7-tägiges und 250 km langes Rennen mit Gepäck durch die Sahara-Wüste. Aus dieser Veranstaltung ist vor wenigen Jahren die kleine Schwester, der Half-Marathon des Sables, geboren (mittlerweile nur noch „Marathon des Sables“ genannt). Hier müssen die Teilnehmer 120 km in vier Tagen, also circa die Hälfte der ursprünglichen Strecke, zurücklegen – Mit Gepäck und rationierten Wasserrationen. Und mir mittendrin. (Quelle: https://www.marathondessables.com/ 16.11.2024)
Taschenkontrolle – Formulare unterschreiben.
In Bussen werden wir nach Ouarzazate gebracht, um von dort weiter in die Sahara-Wüste zu reisen. Direkt nach der Ankunft geht es jedoch erstmal zum „Technical-“ und „Medical-Check“ – Und ich gehe nochmal unsicher die Packliste durch:
In einem 20 l Laufrucksack müssen 12 Essensrationen (2000 kcal täglich), ein Schlafsack, Brühwürfel, Stirnlampe, Desinfektionsspray und viele weitere Pflichtgegenstände Platz finden. Außerdem Toilettenpapier, ein Kochtopf, Luftmatratze, Schlappen und Wechselkleidung, die zwar nicht zur Pflichtausrüstung gehören, aber trotzdem unbedingt nötig sind. Außerdem haben wir den Schuster beinahe zur Verzweiflung getrieben, als er Klettband für die Gamaschen annähen sollte und unsere Ärztin ein weiteres Mal zum Kopfschütteln gebracht, als sie im Vorfeld die nötigen medizinischen Untersuchung unterschrieben hat.
Als ich nach zwei Stunden mit Startnummer und meinem 8 kg schweren und vollkommen auf links gedrehten Rucksack wieder ins freie Trete, fällt die erste Anspannung ab: Ab jetzt muss ich nur noch laufen. Und schlafen.
Willkommen in der Wüste. Oder auch: ein stürmischer Empfang.
Am letzten bewohnten Ort spuckt uns der Bus inmitten der Wüste aus. Ein Sandsturm empfängt uns. Mit Tüchern über der Nase und Sonnenbrille auf den Augen stapfen wir durch roten Wüstensand. Ein vom Wind weggewehtes Zelt wird mit Jeep und Lasso eingefangen, während wir uns dem im Dunst liegenden Biwak nähern. Sandiges Nebelwirrwarr. Die vielen emsigen Helfer, auch Blue Jackets genannt, begrüßen uns mit Taucherbrille und tosendem Applaus. Und wir erkunden unser Zuhause für die nächsten Tage.
Etappe 1 – 24,7 km mit 500 Höhenmetern
Nervös stehe ich im Startblock und lausche den letzten französisch-englischen Instruktionen. Der Sand unter meinen Füßen fühlt sich fest an, der Rucksack schwer. Noch 3-2-1- Start. Mehr als 600 bunte Kappen und fröhlich-wippende Rucksäcke setzen sich in Bewegung. Es geht leicht bergauf und ich versuche mir die Anstrengung nicht anmerken zu lassen. Wir bahnen uns eine Schneise ins Nichts hinein und stapfen die erste Düne rauf. Vor mir erstreckt sich die weite Ferne. Bergab strauchel ich fast im weichen Sand, bis ich mit meinem Rucksack wieder festen Boden unter den Füßen habe. Ich folge den anderen Teilnehmern zum ersten Checkpoint…
Etwa alle zehn Kilometer gibt es Checkpoints, die wie fröhliche Oasen im glimmenden Nichts auftauchen. Hier werden wir registriert, können Wasserflaschen auffüllen und gute Laune tanken. Oder uns in Berberzelten kurz erholen.
Mit jedem Meter den wir hinter uns lassen, färbt sich der Himmel dunkler. Die ersten Blitze zucken über den Himmel und ich erklimme schwarze Felsen, als ein Donnergrollen die Luft erfüllt. Schwere Tropfen fallen herab. Ich muss weiter, von der Erhebung herunter. Ich folge dem Track, während der Regen stetig zunimmt. Die Felsen werden glitschiger und ich bin erleichtert, als ich im weichen Sand den Berg verlassen kann. Kalter Wind schlägt mir entgegen und Hagel prasselt wie Stiche auf mich ein.
In der Wüste hatte ich mich auf das Schlimmste eingestellt. Dass nun mein Sonnenschutz als Helm und meine Gamaschen als Gummistiefel fungieren werden, hätte ich mir jedoch nicht träumen lassen.
Durch Pfützen laufe ich auf den zweiten Checkpoint zu. Nur mühsam halten die Helfer die Zelte gegen den starken Wind aufrecht und ich entschließe mich, nicht lange zu verweilen. Langsam lässt der Regen nach. Allerdings bilden sich nun immer breiter werdende Flüsse, die die rosa Markierungen zu verschlucken drohen. Ich hüpfe jauchzend durch knietiefe Wassermassen, suche nach Stellen die eine Flussüberquerung zulassen.
Die Sonne vertreibt Wolken und trocknet in kurzer Zeit nasse Kleidung. Hochkonzentriert versuche ich weiter den Fähnchen zu folgen und lasse schließlich die Flusslandschaft hinter mir. Ich klettere senkrecht in die Luft stehende Sandberge empor, überquere Berge und fliege über festen Sandboden hinab. In weiter Ferne kann ich bereits das Camp sehen und wundere mich, dass noch vier Kilometer auf meiner Uhr fehlen sollen.
Ich trotte weiter. Federe mich nur langsam auf dem weichen Boden voran. Doch das Biwak scheint nicht näher zu kommen. Schweißperlen bahnen ihren Weg bahnen, während ich mich langsam aber sicher voran kämpfe. Als eine Dreiviertelstunde später endlich der Zielbogen in Sicht kommt, schlägt mein Herz Purzelbäume. Erleichtert fliege ich über die Ziellinie. Hieve den nassen Rucksack von meinen schmerzenden Schultern. Und kann mir noch nicht vorstellen, wie ich am nächsten Tag mehr als die doppelte Distanz laufen soll….
Ein feuchtfröhliches Tages-Ende
Bei jedem Einzug ins Biwak bekommt jeder 5 Liter Wasser, die zum Kochen, Trinken und Waschen dienen. Aber erst heißt es:
Sachen trocken, Essen kochen.
Der erste Tag zieht mit netten Gesprächen und neuen Ritualen ins Lande. Und endet mit einem Abendhimmel über den Blitze zucken und Wasser, das nicht heiß werden will. So esse ich meine halbgare Mahlzeit alleine in meinem Zelt, während meine Wasserflaschen fröhlich in meinem Rucksack auslaufen. Und ahne bereits, dass die Ultra-Etappe morgen nicht einfach werden wird…
Oh Klasse, ich hab schon gewartet auf den Bericht. Das ganze klingt echt spannend und die Freude ist direkt zu erkennen 🙂
Ich bin gespannt wie es weitergeht.
LG Marco
Oh das freut mich aber. Dankeschön für deine lieben Worte. Es waren so viele tolle Eindrücke in Marokko, da musste ich meine Gedanken erstmal sortieren 😀