Vorsichtig setze ich meine Schritte im gerölligen Untergrund. Immer wieder fallen einzelne Steine den steilen Abhang hinab, den ich müßig in Kehren abzusteigen versuche. Ein leiser Pfiff durchschneidet die Stille. Ich horche auf. Lasse meinen Blick durch die Einsamkeit schweifen. Und sehe nichts. Vorsichtig, jedoch einen Schritt schneller setze ich meinen Weg fort. Kleine Löcher im Boden verraten mir, dass sie dort sind. Hier, dicht hinter mir. Und auch wenn ich sie nicht sehe, spüre ich, wie sie die Pfoten nach mir ausstrecken.
Die Hufeisentour
Der Berg ruft – und ich rufe zurück: Nach Jahren der Hüttentour-Abstinenz ist es nun endlich wieder soweit. Zusammen mit meinem ich-warte-oben und einer Gruppe der Bergschule Kleinwalsertal geht es für mich sieben Tage in die Sarntaler Alpen – auf Hufeisentour.
Die Sarntaler Alpen sind eine Gebirgsgruppe in Südtirol (Italien), die das Sarntal hufeisenförmig umschließen. Die danach benannte „Hufeisentour“ ist ein gut markierter Höhenweg, mit dem sich die gesamte Berglandschaft in wenigen Tagen durchwandern lässt. Bisher ist das Gebiet touristisch wenig erschlossen und somit auch eher einsam und wenig besucht.
Tag 1 – Auf dem Weg zum Rittner Horn-Haus
(13 km mit 1100 hm Anstieg und 400 hm Abstieg)
Nervös stehe ich mit Sack und Pack und Müsliriegeln am Start zum Ziel. Während ich nervös von einem Wanderschuh auf den anderen trete, überlege ich, wer und was mich alles erwarten wird. Doch vergeblich. Bis auf eine weitere Wanderin stehen wir ziemlich verlassen auf einem Parkplatz, auf dem uns selbst die Ausflugsbusse nach und nach zurück lassen. Als wir schließlich mit einer Viertelstunde Verspätung am anderen Ende der kleinen Parkplatzes auf die Gruppe stoßen, ist die Erleichterung groß. Es kann losgehen…
Gemeinsam geht es zunächst tausend Meter am Stück nach oben. Aufstieg nennt sich das Spiel, wobei Quälerei auch passen würde. Rucksäcke werden zurechtgezuppelt, Sohlen verlassen uns. Und nachdem die ersten Gesprächsfetzen jäh verstummen, klappt zum Glück auch gemeinsam schweigen und schnaufen gut. Nach einer ersten größeren Rast an der Sarner Scharte führt uns der Weg über weite Hochebenen zu unserer ersten Hütte. Man könnte auch sagen: „Es zieht sich.“
Hüttenleben
Nachdem die Hüttenschlafsäcke ausgebreitet sind, der erste Apfelstrudel verzehrt ist und ein zarter Hauch von Käsearoma durch die Flure weht, kehrt langsam Ruhe ein. Bei der allabendlichen Vorabendessen-Besprechung erfahre ich mehr über den nächsten Tag – Und gehe nicht nur mit den Worten Totensee und Totenscharte, sondern auch den Gedanken an beißende Bettwanzen schlafen. Na das kann ja heiter werden…
Als die ersten bunten Farben durch die kleinen Fenster fallen, kehrt nach einer viel zu warmen Nacht die Betriebsamkeit zurück. Am Himmel zeichnet sich ein orangelilarotes Band über die Wolken, die wie ein weicher Teppich das Tal überdecken. Bevor ich versuche meine kratertiefen Augenringe zu überdecken, laufe ich nach draußen: Eisiger Wind umweht meine Nasenspitze, als der Himmel heller wird. Ein Strahlen breitet sich aus. So habe ich mir das mit der Hüttenwanderung vorgestellt.
Tag 2 – Zum Latzfonser Kreuz
(16 km mit 700 hm Aufstieg und 600 hm Abstieg)
In stiller Einsamkeit wandern wir los. Die Berge werden von einem zarten Hauch Morgensonne angestrahlt, die sich wie ein sanftes Streicheln über die braunen Felsen legt. Kleine Seen liegen wie ein Kaleidoskop zerstreut – Erinnerungsfetzen, fremd und vertraut. Als der Weg schließlich schmaler wird, klettern wir zwischen roten Blaubeersträuchern hindurch und finden uns in einer verzauberten Herbstwaldwelt wieder. Ich bin angekommen – bei mir, in den Bergen.
Nachdem wir weiter durch die weite der Landschaft mit großen Tälern und weichen Wiesen gewandert sind, kommen wir trotz Totensee und -scharte ziemlich lebendig an der Mittagspausenhütte an. Nach Trödeltris und Trinkpause wartet nun nur noch das letzte Stück Weg auf uns, bevor wir unser Tagesziel, das Latzfonser Kreuz (2311m) erreichen.
Stinken oder nicht stinken, das ist hier die Frage.
Die Hütten werden je nach Lage aus dem Tal mit Auto, Seilbahn oder Helikopter versorgt. Daher ist nicht nur das Angebot an Speisen und Getränken oft eingeschränkt, sondern auch Strom sowie Wasser und Abwasser ein schwieriges Thema. Während die einen mit Solar- und Windkraft versorgt werden, läuft bei anderen ein Dieselaggregat im Hintergrund. So überlegt man sich zweimal, ob man wenige Cents bis fünf Euro für eine Dusche investiert oder ziemlich stinkig schlafen geht.
Nach einer lebhaften Hüttennacht ist am Morgen Ruhe zurückgekehrt. Nebelschwaden wabern zwischen Gipfeln und Kaffeearoma in der Hütte. Nach kurzer Besichtigung des Mittelpunktes Tirols, der genau neben einem der höchsten Wallfahrtsorte Europas liegt und meinen Bedarf an Besichtigungen in wenigen Metern erfüllt hat, kann der dritte Wandertag starten. Über einen abschüssigen Höhenweg wollen wir den ersten Gipfel besteigen. Und mit dem unguten Gefühl nicht alleine zu sein, machen wir uns auf den Weg zum heutigen Ziel…
Tag 3 – Aufstieg zum Schrotthorn (2590 hm)
14 km mit 600 hm Aufstieg und 1300 hm Abstieg
Vom Nebel begleitet, folgen wir dem ausgesetzten Pfad, der uns mehr und mehr von den majestätischen Dolomiten wegführt. Die Landschaft wird schroffer, die Felsen schärfer. Ein einsamer Pfiff durchschneidet die Stille. Gänsehaut überzieht meine Arme, die trotz der Morgenfrische nur von einem T-Shirt bedeckt sind. Mit schweifendem Blick wandern wir weiter. Bis ich sie nach einigen Metern das erste Mal sehen kann: Murmeltiere. Vergnügt tollen sie zwischen Felsspalten, als würden sie nur darauf warten, dass ein einsamer Tourist, ein Häsnl, in ihre Falle tritt. Noch nicht ahnend, dass sie uns die nächsten Tage verfolgen werden, verlassen wir zügig den Ort und finden uns bald im steilen Gipfelaufstieg wieder.
Es ist zugig und kalt. Und nach einigen Klettermomenten wartet ein langer Abstieg ins Tal auf uns. Mit dem Gedanken im Kopf, dass Tag 3 immer der schwerste ist, wandern wir vergnügt ab. Und sind gespannt, was und vor allem wer uns die nächsten Tage erwarten wird…
Fortsetzung folgt.
Was eine tolle Tour und Bilder. Bestimmt ein spannendes Erlebnis und wie es aussieht sogar bei bestem Wetter 🙂
Klasse gemacht 🙂
LG Marco
Danke für deine Worte, lieber Marco. Wir hatten wirklich traumhafte Bedingungen 🥰. Die Gegend würde dir bestimmt auch gefallen!