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Nach einer warmen Dusche und den vermutlich besten Schlutzkrapfen der Galaxie startet der nächste Morgen sonnig bis heiter. Es geht bergauf – so steil, dass auf manchen Schritt vor auch gerne mal ein Stück zurück folgt. Mit jedem Meter steigen wir höher auf, lassen das Tal weit hinter uns, das nach wenigen Minuten kaum mehr greifbar scheint. Ich spüre die Wärme auf meiner Haut – das Salz, das in feinen Bahnen meine Schläfe hinab rinnt.

Tag 4 – Aufstieg zur Karnspitze (2412 m)

10 km mit 850 hm Aufstieg und 950 hm Abstieg

Wir passieren eine kleine Hütte: Wasser auftanken, Sohnenstrahlen suchen. Und folgen schließlich dem flusslaufähnlichen Weg, der auf einer Kreuzung endet.

Einige Trinken, andere ziehen Jacken aus, um andere Jacken anzuziehen.

Wir lassen unsere Rucksäcke an einer Ruine zurück und machen uns an den Aufstieg. Vorsichtig setze ich meine Schritte auf dem gerölligen Untergrund, darauf bedacht nicht wegzurutschen. Es lösen sich kleine Steine unter meinen Füßen, die mit lautem Getöse den Berg hinabrollen. Mit Abstand zueinander gehen wir weiter. Der Weg führt uns in Kehren in Richtung Gipfel. Eine Gedenkstätte eines abgestürzten Schafhirten mahnt zur Vorsicht, ehe wir schließlich mit klopfendem Herzen an dem kleinsten Gipfelkreuz seit es Schokolade gibt, ankommen.

Nach einem rasanten seilgesichterten Abstieg liegen wir an den Bruchstücken der Ruine in der Sonne und hängen unseren Gedanken nach. Das Gras kitzelt im Nacken, während warmer Wind über mich hinwegstreicht.

Die Ruine war ehemals ein Militärstützpunkt, der Luftangriffe auf Bozen attackieren und somit reduzieren sollte. Doch die Angst, das wunderschöne Sarntal daraufhin zu einem möglichen Angriffspunkt zu machen, führte dazu, dass der Militärstützpunkt seinen Dienst quittierte – und Bozen ein paar Bomben mehr einstecken musste.

Gefühlte Ewigkeiten liegen wir dort, bis uns der Bergführer ermuntert weiterzuziehen. Wir wandern ab: durch rote Brombeersträucher und orange leuchtende Blätterwerke. Ein leises Pfeifen begleitet uns. Und wir sind uns sicher, dass es nicht vom Fluss kommen kann, der behände neben uns her plätschert, während wir Meter für Meter in Richtung Tal zurückkehren.

Tag 5 – eine Tagestour vom Penserjoch zurück nach Pens

16,5 km mit 550 hm Aufstieg und 1300 hm Abstieg

Oder auch: Der Tag, an dem wir unserem Feind ins Auge blicken – Nach einem imposanten Frühstück machen wir uns auf in den Kampf. Heute nur mit leichtem Tagesgepäck und großem Blasenpflaster unterwegs, hinterlasse ich ein halbes Schlachtfeld in meinem roségetünchten Zimmer, bevor uns ein Taxi auf 2211 m Höhe bringt.

Als wir die ersten Meter gewandert sind, spüren wir, dass wir verfolgt werden. Drohnenfliegen surren herum und das Glockengebimmel von Ziegen dringt an unsere Ohren. Wir lassen die wunderschöne Aussicht auf uns wirken und ziehen weiter. Auf dem schmalen Grad reiht sich eine Murmeltierfalle an die nächsten. Hirngespinste vom bösen Gretl, der sich den langsamsten Touristen aussucht, schwirren im Kopf und schon bald verschnellern wir unsere Schritte.

Gipfelkreuze türmen sich auf, Seen spiegeln Aussichtswolken.

Als wir uns an den Abstieg wagen, sehen wir ganze Herrscharen von Murmeltieren. Bei jedem unserer Schritte müssen wir aufpassen, nicht in eins der Löcher zu treten, die sie geschickt an nicht einsehbaren Stellen platziert haben.

Der Tag zieht ohne weitere Verluste ins Lande. Wir folgen einem schmalen Waldweg und mein Loch im Magen wird mit jedem schmerzhaften Schritt größer. Als wir schließlich das Tal erreichen, bin ich dankbar, noch vor dem Hochklappen der Bordsteinkanten einzutreffen. Und frage mich, wie zur Hölle die gefühlten Stoffmassen in meinen Mini-Rucksack vor dem Ausleeren gepasst haben.

Tag 6 – Aufstieg zur Meraner Hütte

17 km mit 1300 hm Aufstieg und 600 hm Abstieg

Motiviert heute endlich wieder einen Stück weiterzukommen, fahren wir mit dem Bus einen oder zwei Orte weiter und machen uns an den Aufstieg. Die Hitze flirrt über uns. Wir erfahren mehr über Sagen-Gestalten und folgen den zarten Klatschlauten und liebevollen Aufforderungen unseres Bergführers, dem wir offensichtlich an diesem Morgen zu langsam sind. Nach einem Kaffeestopp an einer Alm ziehen wir weiter. Durch ausgetrocknete Bachläufe und über laufende Bäche. Meine Zunge klebt am Gaumen, während wir Schritt für Schritt empor steigen. Wie kann es nur im Herbst so heiß sein?

Nach meinem ersten Kaiserschmarrn bei diesem kaiserlichen Wetter, entscheiden wir uns noch zum nächsten Gipfelkreuz zu steigen, bis wir Doppelzimmer und unser letztes Abendessen beziehen können.

Tag 7 – Zu Besuch bei den stoarnernen Mandlen

14 km mit 300 hm Anstieg und 1300 hm Abstieg

Der siebte Tag weckt uns wolkenverhangen. Als würde das Wetter ahnen, dass der letzte Tag angebrochen ist, türmen sich unheilvolle Wolken auf, die dann doch von der Sonne durchbrochen werden. Vereinzelt hört man leise Gespräche, die durch das leise Surren eines Hubschraubers unterbrochen werden und anschließend gänzlich verstummen. Nachdenkliche Stille.

Während die ersten in Gedanken beim Heimweg sind, versuchen andere noch das letzte Fünkchen Bergliebe auflodern zu lassen. Als wir Haftlinger Pferde passieren und Steinmenschen besuchen, merken wir, dass die Wege mehr und mehr von anderen Touristen flankiert werden. Es geht zurück in die Zivilisation.

Wir folgen einem Waldweg zurück ins Tal. Immer wieder bleibe ich stehen und entdecke Orte, an denen ich vor sieben Tagen losgewandert bin. Stille Melancholie erfasst mein Herz, mein Lachen, den Moment. An einer Skihütte verspeisen wir die letzte Knödelsuppe bevor wir Lebewohl sagen müssen:

Den Bergen, den Murmeltieren und tollen Menschen, die zusammengewachsen sind. Zu einer Gruppe ohne Namen, aber mit vielen namhaften Gesprächen.

Auf Wiedersehen Sarntal, auf Wiedersehen Hufeisentour – Es war schön bei dir.

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Die Hufeisentour – eine Hüttenwanderung in den Sarntaler Alpen (Teil 2 von 2)

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