Die Stadt laufend erleben
Hamburg, Bremen, Münster. Vielleicht nicht die großen Metropolen dieser Welt, aber doch mal ein guter Anfang, um etwas Neues auszuprobieren. Sightrunning heißt das Stichwort und verbindet, wie der Name vermuten lässt, eine typische Sightseeing Tour mit dem Laufen. Statt mich also mit qualmenden Füßen und rauchendem Kopf über das harte Pflaster zu quälen, geht es stattdessen leichtfüßig durch die schmalen Gassen dieser Welt. Von Hinweisschild zu Hinweisschild und von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit. So zumindest der Plan…
Hamburg.
Hamburg. Strahlender Wolkenschein – Man könnte auch sagen: Warmes Shietwetter. Ich stehe in Laufkleidung bereit, das Handy inklusive Kamera ganz „Tourilike“ in Griffweite. Gespannt mache mich in gemütlichem Trabtempo auf zu meiner ersten Jog On- Jog Off Tour.
Hamburg ist zwar mit über 1,8 Millionen Einwohnern kein kleines Städtchen, mir aber auch nicht gänzlich unbekannt, was mir bei meiner ersten Sightrunning Tour hoffentlich in die Karten spielen wird. Im Zweifelsfall werden mir diese netten rot-weißen Blechdinger an den Kreuzungen (auch Hinweisschilder genannt) bestimmt Abhilfe schaffen.
Während die Alster ein stark belaufenes Fleckchen Erde ist, finde ich mich bald unter großen Menschenmengen in der Fußgängerzone Hamburgs wieder. Zügigen Schrittes geht es an Schaufensterpuppen und Werbeanzeigen vorbei: So einen farbigen Wegesrand finde ich in der Eifel selten. Über mein Gesicht zieht sich ein breites Grinsen. Ich laufe hier gerade mitten durch die Fußgängerzone – das habe ich auch noch nie gemacht.
Meine erste richtige Sehenswürdigkeit soll der Michel (die Michaeliskirche) sein. Den Kirchturm im Blick, peile ich den ungefähren Standort an. Kreuzung hier, Ampel da. Gefühlt stehe ich mehr, als dass ich laufe. Immer wieder muss ich warten und den Straßenverkehr im Blick behalten. Da ist es kein Wunder, dass hier sonst niemand läuft. Am Rathaus vorbei, ein kurzer Zwischenstopp am Mahnmal St. Nikolai und schon stehe ich nach knapp fünf Kilometern am Michel: Hechelnd, verschwitzt und mit meinem Handy in der Hand, um ein Sightseeingfoto zu machen.
Begleitet von irritierten Blicken und unter „sportlich, sportlich“ Anfeuerungsrufen der Passanten setze ich mich wieder in Bewegung und laufe weiter zu den Landungsbrücken. Ich merke schnell: Je populärer eine Sehenswürdigkeit ist, desto größer auch die Menschenmengen davor – Oft muss ich abbremsen oder einen Haken schlagen.
Da uns noch immer das nette C…virus begleitet, darf man den Elbtunnel nur mit Mundschutz betreten. Wie eine große rosa Kaugummiblase, die sich vor dem Mund aufpustet und wieder zu verschwinden scheint, atme ich meinen Mundschutz ein und aus. Ich erhöhe meine Geschwindigkeit und laufe immer dem Licht am Ende des Tunnels entgegen. Die glänzenden Kacheln spiegeln nicht ganz mein langsam erstickendes Innenleben wieder. Nach ein paar Metern habe ich das Ende erreicht, steige schnaufend die Treppenstufen hoch und genieße den Ausblick.
Sightrunning ist trotz der langsamen Pace und der vielen Gehpausen ziemlich anstrengend, finde ich. Über Kopfsteinpflaster und Treppenstufen, durch schmale Gässchen und über Hauptstraßen, kämpfe ich mich langsam in Richtung Reeperbahn durch:
„Wat ne Idee, so bescheuert musste mal sein und über den Kiez joggen“, O-Ton Besoffski Nummer 100.
Weiter Richtung Elbphilhamornie, durch die Speicherstadt und zurück zum Alsterufer kommen zum Ende hin 16 schweißtreibende Kilometer zusammen. In nur 1,5 Stunden habe ich so die wunderschönen Sehenswürdigkeiten Hamburgs gesehen.
Tag 2 – Bremen: Den Nagel auf den Kopf treffen
Andere Stadt, selbes Spiel. Mit dem Unterschied, dass ich Bremen bisher nicht kenne. Im Internet habe ich mir vorher kurz die Sehenswürdigkeiten angesehen und durch Zufall gelesen, dass eine Spur von über 2000 Nägeln im Boden an den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Bremens vorbeiführt. Na wenn das mal kein Glückstreffer ist! Mit dem Handy bewaffnet, mache ich mich im Laufschritt in Richtung Marktplatz. JogOn-JogOff Tour die Zweite kann beginnen.
Wie eine betrunkene Gretel auf Schnitzeljagd folge ich den Nägeln im Boden, die zum Teil nur schwer zu erkennen sind und scharfe Kurven zeichnen.
Es geht vorbei am St. Petri Dom und dem Bremer Roland. Ein kurzes „Meet and Greet“ mit den Bremer Stadtmusikanten und weiter geht’s durch die Böttcherstraße. Ich merke schnell, dass hier alles sehr nah beieinander ist und man läuferisch fast schon zu schnell an allem vorbei rast. Meine Brotkrumennägel machen von hier noch einen Abstecher ins absolut sehenswerte Schnoorviertel, ehe ich nach knapp 2 km nicht am Haus der alten Hexe, sondern überraschenderweise schon wieder am Start ankomme.
Ich laufe noch bis zum Bürgerpark, um die Stadt etwas auf mich wirken zu lassen und beende meine Runde nach circa 7 km. Ich habe ähnlich wie bei einer HopOn – HopOff Bustour einen guten Überblick über die Stadt bekommen und kann mir jetzt in Ruhe nochmal die Rosinen herauszupicken, die ich genießen möchte.
Tag 3 -Münster: Ein hartes Pflaster
Und Münster? Leider gibt es hier weder Nägel, noch viele Hinweisschilder, die mir den Weg weisen könnten. Dafür gibt es umso mehr Pflastersteine…
Ich stolpere mich über den unebenen Bodenbelag voran und habe das Gefühl, kaum vorwärts zu kommen. Gleichzeitig ernte ich derart viele abfällige Blicke, dass ich mehrfach an mir heruntergucke und mal die Nase nach mir ausstrecke. Vielleicht sind hier Läufer mitten in der Stadt unter den unzähligen Radfahrern unerwünscht oder machen die Quote kaputt. Ich weiß es nicht. Dafür ist die Stadt traumhaft schön, die Sonne strahlt mit mir um die Wette und nach knapp 12 km zurück am Aasee begegnen mir eine Vielzahl von freundlichen Läufern.
Mein Fazit:
Als Sightrunner(in) erhebt man viel Aufsehen – Sowohl im positiven, als auch im negativen Sinne. Man kommt auf eine schnelle Art und Weise von a nach b und bekommt einen guten Überblick über die Stadt. Für mich ein absolut lohnenswertes Abenteuer. Denn was gibt es letztendlich auch schöneres, als die interessantesten Ecken mit der tollsten Nebenbeschäftigung dieser Welt zu verbinden?
Ich finde das auch sehr interessant, habe ich in Berlin kürzlich ganz spontan zumindest ein winziges Stückchen gemacht (weil ich Turnschuhe anhatte 🙈) und vor 2 Jahren in New York, gigantisches Gefühl 😍!
Ich finde das auch super spannend. Laufen ist einfach mehr als Schuhe an und fliegen lernen. Laufen ist leben, entdecken, reisen und fühlen. Und all das, geht in einer Stadt natürlich auch 😍
Cool, interessant und lesenswert geschrieben.
Ich erkunde auch sehr gerne die Urlaubsorte laufend.
Mit ein bisschen Reiseführer-/Wikipedia-Wissen erspart man sich teure Hop-On/Hop-Off Touren.
Vielen lieben Dank 😀, da hast du absolut recht. Und man entdeckt auch mal die Eine oder Andere neue Ecke, die einem sonst vielleicht verwehrt geblieben wäre. Danke für deinen lieben Kommentar