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Ich stehe am Fenster, von dem mir eine eisige Kälte entgegenschlägt und starre in die unergründlichen Tiefen der Dunkelheit. Vor meinem Gesicht bildet sich eine Nebelwolke, die mit jeder Sekunde meine Sicht erschwert. Mit meinen Fingerspitzen streiche ich vorsichtig über die ebene Fläche und verwische dabei die Tautröpfchen, die auf der Kühle der Scheibe kondensiert sind. Eine müde Fratze schaut mir entgegen, die ich beim zweiten Blick als mein Ebenbild identifiziere.

Mein Name ist Hund. Schweinehund.

Während alle Welt von Movember, Mittagspausenläufen und Fit-before-christmas Challenges schwärmt, scheint bei mir der nette Herr Schweinehund ein Winter-Dauerabo gebucht zu haben.

Trotz aller Überredungskünste, bleibt Monsieur de la Schweinehund beständig an meiner Seite:

„Ich kann Sie leider nicht einstellen. Leider habe ich keine Arbeit für Sie…“

Schweinehund: „Och… das würde mir eigentlich nichts ausmachen.“

Während ich mir Farbfotos von Mittagspausenläufen und Traildorados angucke, umhüllen mich tagein tagaus die selben Schwarzweißbilder der Nacht. Mit jedem Augenblick wird es schwerer, mich aufzuraffen und loszulaufen.Vielleicht hat auch mein Sofa zusammen mit der Uhrumstellung magische Anziehungskräfte verliehen bekommen. Hier scheint jedenfalls irgendetwas nicht mit rechten Dingen zuzugehen.

Doch es hilft nichts…

…Zumindest dann nicht, wenn ich nicht schon im November meinen Kullerbauch durch Vieless-Sofaabende so weit trainieren möchte, dass ich im Dezember an Plätzchenwettbewerben als Probeesser teilnehmen könnte.

Deshalb, und nach langer Diskussion mit meinem Kumpelschwein, entschließe ich mich die Laufsachen suchen zu gehen und einen Dunkellauf zu starten. Nachdem T-shirt und Hose schnell gefunden sind, fehlt eigentlich nur noch die Leuchtejacke, die Mütze, Handschuhe und meine Stirnlampe, die hoffentlich noch aufgeladen ist. Und Schuhe wären auch nicht verkehrt. Nach einer gefühlten Ewigkeit stehe ich an der Haustür und bin jetzt schon fertig mit der Welt. Wer hatte nochmal die bescheuerte Idee laufen zu gehen?

Ich öffne die Tür, schleppe mich über die Schwelle und atme tief ein.

Stille.

Ich blicke nach oben und sehe ein Sternenmeer, das den gesamten Nachthimmel überdeckt. Langsam setze ich mich in Bewegung, laufe die Einfahrt hoch und die Straße herunter. Im Lichtkegel der Strirnlampe tanzt mein Atem als kleines Wölkchen vor mir her. Der warme Geruch von Feuerholz, von Winterabend steigt mir in die Nase und lässt mich unwillkürlich Lächeln.

Ich höre das Rauschen der Heizungen, sehe die ersten Lichterketten in den Fenstern hängen und bin eingehüllt in die Ruhe der Dunkelheit.

Ich laufe weiter und bin in Gedanken ganz bei mir. Noch eine oder zwei Biegungen, bis ich auf einen kleinen unbeleuchteten Waldweg stoße. Im seichten Licht laufe ich über Wurzeln und Blätter. Atme die Nachtluft ein und bin auf meine Bewegungen konzentriert. Ab und zu höre ich ein Rascheln im dichten Laub neben mir. Meine Augen gewöhnen sich mit jedem Meter mehr an die Schwärze und ich kann erste Farbtupfer in der Tristesse des Novemberwaldes ausmachen. Erkenne orange getünchte Blätter und tiefbraune Wurzeln. Aus ganz weiter Ferne dringt das beständige Läuten der Kirchturmglocke zu mir durch…

Eins, zwei, drei, vier.

Es ist 19 Uhr. Obwohl es sich insgeheim nach tiefster Nacht anfühlt, sehe ich doch in den Fenstern die Fernseher flackern oder Hundehalsbänder blinken. Ich drehe noch eine kleine Runde durch den Ort und spüre, wie mein Gesicht langsam die Temperatur der Umgebung anzunehmen scheint.

Gut, dass die Lampe jeden anderen Spaziergänger beim ersten Blickkontakt Knock-Out schaltet und mein erstarrter Gesichtsausdruck so niemanden verschrecken kann.

Die Kilometer vergehen zäh. Die Kälte ergreift Stück für Stück Besitz von mir und die Gedanken beginnen zu kreisen. Ich sehne mich nach meiner warmen Decke und freue mich darauf, meinem Schweinehund die Laufschuhe vor den Wanst zu knallen.

Ich laufe den kleinen Hügel hoch. Mit jedem Schritt breitet sich in meinem Bauch das warme Gefühl aus, es geschafft zu haben

1:0 für mich, Herr Schweinehund. Ich bin gespannt, wie das morgige Duell entschieden wird.

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Und der Schweinehund sprach: „Komm auf die dunkle Seite der Macht“

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4 Gedanken zu „Und der Schweinehund sprach: „Komm auf die dunkle Seite der Macht“

  1. Liebe Sara!
    Du bist nicht allein Kampf gegen die Angreifer. Viele ähnliche Kämpfe habe ich schon ausgefochten und den einen oder anderen auch verloren 🤷‍♂️.
    Sei tapfer, Kopf hoch, auch wenn du mal verlieren solltest. Pass auf dich auf im Dunkeln, die legen manchmal auch Fallen aus 😂!
    Toi toi toi 👍🏻🍀

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