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Das Erwachen – Nach einem späten Frühstück trete ich ins Dämmerlicht des ersten Tages im neuen Jahr. Der Himmel ist in schönste Orangetöne getüncht und das Wetter aufgeklart. Die Tristesse der vergangenen Tage scheint wie fortgewischt und über das Grau hat sich eine zuckerwatteweiße Federschicht gelegt. Mit dem Gefühl eines Neustarts hinterlasse ich meine Fußabdrücke im unangetasteten Weiß und mache mich auf den Weg zu meiner ersten Ausflugstour.

Die Magie der Weihnachtsstadt Tromsös hängt vor allem mit den vielen Bildern zusammen, die von den Ausflugstouren im Internet kursieren. Dazu zählen vor allem das Husky- oder Rentierschlitten fahren, Polarlichtertouren, Motorschlitten-Abenteuer, Whale Watching-Bootstouren oder auch Schneeschuhwanderungen durch die verschneiten Bergmassive. Alleine beim Aufzählen dieser Begriffe ploppen vor meinem geistigen Auge zauberhafte Bilder auf mit dem ultimativen „Haben-Will“ Gedankenkern.

Zur Buchung

Alle diese Touren starten als vier bis achtstündige Tagestouren von Tromsö und lassen sich im Vorfeld bequem online buchen. Es gibt auch Touristenbüros vor Ort, aber wir haben es genossen, schon vor dem Urlaub zwischen den Attraktionen abzuwägen und zusammenzupuzzlen. Dazu haben wir GetYourGuide* genutzt, die sehr genau beschrieben zeigen, was man erwarten kann und uns auch bei der Tour-Absage (aufgrund der Wetterbedingungen) das Geld unmittelbar zurück überwiesen haben. Die Touren sind je nach Aufwand und Nachfrage unterschiedlich teuer. Man sollte sich jedoch auf Kosten von circa 100 € (Schneeschuhwandern) bis 250 € (Whale Watching-Tour) pro Person einstellen.

Zurück zu Neujahr

Zielsicher steuern wir durch vereiste Gassen und springen über kleine Schneeberge. Tromsö ist uns mittlerweile fast so gut bekannt wie unsere Westentasche und da die Touren meist am gleichen Ausgangspunkt starten, fühlen wir uns ziemlich so, wie sich alte Schneehasen fühlen müssen. Nach wenigen Minuten sitzen wir in einem komfortablen Reisebus, der bis zum letzten Platz gefüllt ist und juckeln durch die malerische Kulisse Norwegens.

Alles nur Touristennepp?

So wunderbar und einzigartig sich die Erlebnisse auch anfühlen, so sehr muss man sich auch eingestehen, dass die meisten Touren für Touristen inszeniert sind. Mit großen Booten wird bis zu vier Stunden lang nach Walen gesucht, um für 5 min Fotos zu schießen. Motorschlitten werden in Reih und Glied aufgereiht, um eine festgelegte Strecke abzufahren und auch Wandertouren laufen nach Schema x ab. Da viele der Erlebnisse jedoch kaum anders zugänglich gemacht werden können und meist mit viel Liebe zum Detail gestaltet sind, bin ich trotz Touristenflair der Meinung, dass man sich viele Erlebnisse nicht entgehen lassen sollte.

Schneeschuhwandern

Da wir bereits tolle Erfahrungen mit Schneeschuhen in heimischen Gefilden gemacht haben, freuen wir uns nun die norwegisch-schwedische Grenze auszukundschaften. Gemeinsam mit einem Guide und vier weiteren Teilnehmern ziehen wir durch dichte Schneefelder und hohe Baumwälder. Ein kleiner Fluss schlängelt sich durch die Einsamkeit der Natur, während sich der Himmel in bunten Farben färbt. Ein Augenblick nur für mich.

Ich atme tief ein. Die kalte Luft kitzelt in der Nase und ein sanfter Hauch von Kaminduft weht zu mir herüber – Ich genieße. Mit jedem Schritt sinke ich tiefer ins dichte Weiß ein und jauchze wie ein Kind, als ich absichtlich neben den für uns gespurten Pfad trete. Wir schleppen uns einen kleinen Hügel hinauf und ich verliere mich in dem Farbenspiel von Wolken auf Orange. Mein Blick gleitet über die schneebedeckten Gipfel, als mich mit einem Mal ein dunkles Grollen aus den Gedanken reißt – Lawinengefahr.

Mit einem wachsamen Blick dreht sich unser Guide um. Wir erfahren mehr über die verschiedenen Schneeschichten und über die Gefahr, die auch von diesen kleinen Hügelgipfeln ausgeht. Wir ziehen weiter. Kurz darauf höre ich ein erneutes Grollen und mein Blick huscht instinktiv nervös nach oben. Alles im grünen Bereich.

Wenige Minuten später erreichen wir unseren Rastplatz. Mit Blick auf die atemberaubende Kulisse grillen wir Rentierwürstchen (und eine vegetarische Alternative) über dem Feuer, lernen mehr über die norwegische Kultur und das Leben in freier Wildbahn kennen. Die Zeit steht still. Nach einem kurzen Rückmarsch dürfen wir im Anschluss an einer Führung durch das Magic Ice Hotel teilnehmen.

Das Magic Ice – Hotel

In zwei großen Iglukuppeln, die jedes Jahr neu aufgeschichtet werden müssen, beherbergt das Hotel einen Speisesaal, eine Art Rezeption und sieben leere Kammern ohne Türen, in denen aus Eis geschnitzte Bettrahmen stehen. Die geschnitzten Figuren werden jedes Jahr zu einem anderen Thema gestaltet und es herrscht striktes Skulptur-Anfassverbot. Die Führung mit einer Heerschaar von Menschen kommt uns leider mehr wie eine Art Beschäftigungsmaßnahme vor. Und so sind wir fast froh, als wir wenige Zeit später auf der Busrückfahrt von den wunderschönen Einblicken der vergangenen Stunden träumen.

Rentierfütterung und die samische Kultur

Die nächste Tour lässt zum Glück nicht lange auf sich warten. Am nächsten Abend fahren wir auf eine Rentierfarm und als unser prall gefüllter Reisebus auf das Gelände einbiegt, zeichnet sich bereits eine wunderschöne grüne Aurora über das Gelände. Nur widerwillig löse ich mich von dem Anblick, um mir als eine der letzten die Verhaltensregeln im Umgang mit Rentieren nahebringen zu lassen:

Nicht weglaufen, Eimer nach oben halten, Spaß haben.

Mit Futtereimer bewaffnet, ziehe ich schließlich mutig meine Bahnen zwischen beweihten und unbeweihten Rentieren, Rudolfen und Dashern, Donnern und Blitzen. Während Rentier Nummer Eins die Schnauze kaum weiter in den Eimer hineingeschieben könnte, schiebt sich von der Seite bereits das nächste hungrige Maul herbei. Glücklich mit einem leeren Eimer und allen zehn Fingern aus der Fütterung wieder heraus gekommen zu sein, quittiere ich schließlich meinen Dienst und widme mich den wunderschönen grünen Farben, die über die Rentierköpfen ziehen.

Kurz darauf nehmen wir bereits ganz Pferchenkarusselllike in einer Kolonne Schlitten Platz und kreisen über das Gelände. Bei Kaffee und Tee, Salat mit Lachs, Rentiergulasch und Schokokuchen sinnieren wir anschließend über den Tag und den straffen Zeitplan. Doch als uns schließlich eine junge Frau in Tracht mehr über ihre Kultur erzählt, Rede und Antwort über die kleinen Rentier-Geschöpfe steht und das ganze Zelt schließlich in die samischen Gesänge einstimmt, ist jedes Zeitgefühl vergessen.

Erlebnisse fürs Leben

Jede einzelne Tour ist ein Highlight für sich und wie aus einem Bilderbuch entsprungen. Obwohl ich kaum eine Tagestour ausgelassen habe, könnte ich keine benennen, die mir besser gefallen hat. Auch beim sehr sachlichen Schreiben dieser Erfahrungen hüpfen die Bilder durch meinen Kopf und ich spüre wie mir die Erinnerung ein glückliches Lächeln ins Gesicht malt.

Eine letzte Ausflugstour, die vermutlich als die Unscheinbarste erscheint, aber doch die am wenigsten inszenierteste war, hat sich besonders tief festgesetzt…

Kajak fahren auf einem vereisten Fjord

Obwohl das Kajak fahren seit meiner Fähnlein Fieselschweif Ausbildung nichts Unbekanntes mehr ist, ist das Fahren auf einem Fjord im Winter nochmal eine andere Hausnummer und kein ungefährliches Unterfangen. Die Lufttemperatur beträgt an diesem Tag – 12 Grad, die Wassertemperatur an der Oberfläche -1 Grad – Ein Kentern wäre verheerend. Und da alle Verleihstationen in und um Tromsö im Winter aus unverständlichen Gründen geschlossen haben (- Ironie off), machen wir eine geführte Kajaktour mit. In einer Gruppe von sechs Personen schlüpfen wir in Trockenanzüge und Schwimmwesten, stoßen uns vom Ufer ab und hören nichts als das sanfte Plätschern von Wasser auf Boot. Leise gleiten wir über die glatte Oberfläche, während der Himmel ein atemberaubendes Farbspiel zeigt.

Das orangerotgelbe Licht spiegelt sich in dem tiefen Blau des Wassers, das uns von allen Seiten zu verschlucken scheint. Hinter uns ist der Mond von einem tiefen Rosa umgeben, das sich um die hellen Gipfel der Berge schließt. Lautlos gleiten wir weiter. Die losen Wassertropfen der Paddelbewegung überziehen bald als feine Eiskruste unser Kajak, als wir vor uns den ersten schwarzen Punkt ausmachen:

Ein wilder Seelöwe streckt seinen Kopf hervor. Kurz darauf entdecken wir einen zweiten und einen dritten. Schockverliebt beobachten wir immer neu auftauchende Tiere und erleben schließlich neun frei lebende Tiere aus nächster Nähe. Als mit einem kurzen Aufspritzer der letzte Löwe abtaucht, merken wir erst, wie sehr uns die Szenerie gefangen hat und lösen etwas verträumt den Blick von der Tiefe der Landschaft. Langsam ziehen wir weiter.

In Ufernähe überzieht eine Eisschicht die Oberfläche. Mühsam, als würde das Boot durch ein Gummiband gehalten, stoßen wir kraftvoll ins Eis, um uns aus dem sumpfartigen Wasser zu befreien. Die Natur, der Himmel, das Eiswetter auf diese Art erleben zu dürfen, ist für mich ein ganz besonderes Erlebnis. Schließlich müssen wir uns doch von der Tiefe des Anblicks verabschieden und uns zu neuen alten Ufern aufmachen.

Als wir auf dem Rückweg in die Stadt sind, wird mir immer schmerzlicher bewusst, dass dies womöglich die letzte Ausflugstour war, die ich hier im Norden Norwegens erleben durfte. Und gleichzeitig auch, dass das Ende der Zeit in der Polarnacht immer näher rückt. Mit einem Kloß im Hals blicke ich auf den vereisten Fjord zurück, der nun bereits wieder von der blauen Stunde umgeben ist. Und weiß, dass nun nur noch das letzte Highlight auf mich warten wird… Der Polarnight-Halfmarathon.

Fortsetzung folgt.

*enthält unbezahlte Werbung durch persönliche Empfehlungen

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Ausflugstouren in Tromsö – Eine Rückkehr in die Polarnacht (Teil 3)

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