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Mich umringt eine einsame Stille, während rote Lichter wie Glühwürmchen durch die Nacht tanzen. Die Kurven fühlen sich vertraut, die Luft frisch an. Ich rolle über die erste Kuppe und stürze mich den Berg hinab. Der Himmel zeichnet den harten Asphalt in orangelilarosa-Töne bis ich sie endlich sehe: So warm und fern, dass sie alle Zweifel aus dem Gesicht wischt. Die Sonne. Der Wind weht mir um die Ohren – Und ein neuer Tag beginnt.

Rad am Ring – die Veranstaltung

Einmal im Jahr findet man auf dem Nürburgring statt Motorengeheul Kettenrattern und statt schnellen Ölwechseln fliegende Trinkflaschen: Rad am Ring ist ein Radrennen, das mittlerweile sein 20. Jubiläum feiert und auf der 26 km langen GrandPrix-Strecke und Nordschleife des „Rings“ stattfindet. In verschiedenen Disziplinen können Radbegeisterte mit dem Rennrad, Moutainbike oder auch beim Jedermannrennen die Strecke erkunden, Grenzen erproben und die besondere Atmosphäre der Grünen Hölle genießen. Oder sich auch vor lauter Aufregung fast in die Hose machen, wie es bei mir wohl eher der Fall ist.

Leere Tribünen, volle Stellplätze.

Mit der Frage im Kopf, was ich hier eigentlich zu suchen habe, stellen sich ich-warte-oben und ich in den Autokorso der Ringeinfahrt. Als im Winter die Frage kam, ob ich nicht beim 24h-Rennen im 4er Frauenteam mitfahren möchte und ich etwas zögerlich zusagte, waren mir die Ausmaße des Ganzen kaum bewusst. Doch zwischen Orga-Teams, Pavillions und Rennrädern, komme ich mir mit einem Mal winzig klein vor.

Die Begrüßung ist herzlich, die Atmosphäre atemberaubend.

Die Grillkohle wird angeheizt, die Stimmung auch. Gemeinsam verbringen wir in unserem SchumacherS-Kurven-PartyCamp den Abend, während die ersten Rennmaschinen an uns vorbeisurren. Vorfreude schleicht sich in meine Adern – Es kann losgehen!

Samstagmittag- Das Rennen beginnt

Ungeduldig trete ich von einem Klicki auf den anderen, während die erste Starterin auf die Strecke geht. Der Wind frischt auf. Nach drei Stunden nehme ich endlich und schon längst eingeklickt als letzte Staffelstarterin die Transponderchip-Flasche entgegen und Go! Vom Adrenalin angepeitscht, trete ich in die Pedale. Fahre über die mit Pavillions gesäumte Straße. Bässe klingen in den Ohren und ein Lächeln zieht sich über mein Gesicht.

Nach einem kurzen Anstieg geht es über die berüchtigte Fuchsröhre den Berg hinab. Mit Respekt wage ich mich in den Downhill. Die vielen Höchstgeschwindigkeiten von teilweise über 100 km/h schwirren mir im Kopf, während ich mich ganz rechts an der Bremse festhalte. Fast schon beruhigt stelle ich fest, dass auf jedes bergab ein bergauf folgt und ich mich entspannt rollen lassen kann.

Die Schaltungen knallen, die Beine brennen.

Es geht bergauf, während meine Durchschnittsgeschwindigkeit steil bergab geht. Im seichten Anstieg pedaliere ich mich weiter. Quads mit Trinkflaschen ziehen an mir vorbei, gefolgt von Schweißtropfen, die an mir hinabrinnen.

Als es in eine Art Steilkurve geht und ich mich frage, was an dem Mythos „Hohe Acht“ mythentiell sein soll, sehe ich wie sich das Unheil vor mir auftürmt…

Erneut schalte ich in den zweitkleinsten Gang und wiege mich den Berg hinauf. Ich überlege, ob ich meine Schaltung vorher vielleicht hätte einstellen lassen sollen, doch dafür ist es jetzt auch zu spät. Gequält kämpfe ich mich die 19% Steigung hinauf, als die Ersten durch den Schotter schieben. Mit einem letzten Schnauben rolle ich über die Kuppe und sehe wie der zweite Verpflegungspunkt vor mir auftaucht.

Mit dicken Beinen fahre ich in den letzten Teil der Nordschleife, der mir als „wellig“ beschrieben wurde. Windig hätte auch gepasst, denke ich mir leise, als mir eine Böe entgegenschlägt. Durch breit gesäumte Kurven stürze ich mich Anstiege hinab und düse mit Schwung den Berg hinauf. Auf den letzten Metern habe ich das Gefühl gegen eine magische Windwand anzufahren, bis ich endlich über die Ziellinie rolle. Und durch die Partymeile zurück ins Camp fahre.

Die erste Runde ist geschafft. Oder anders ausgedrückt: Wie oft soll ich das jetzt noch machen?

Erleichtert steige ich vom Rad. Freue mich mit den anderen Fahrern und Fahrerinnen der Gruppe, die alle nach ihrer Runde mit einem breiten Strahlen abgestiegen sind. Ich bediene mich an unserem riesigen Camp-Buffet, bis langsam aber sicher die bittere Erkenntnis zu mir durchsickert: Das war erst die erste Runde, es folgen noch weitere.

Wartezeit.

Halb tanzend, halb essend bewundere ich die schnellen Rennradler. Freue mich über Begegnungen mit alten Freunden und neuen Bekannten. In der Abenddämmerung heißt es für mich erneut aufsteigen – auf zu meiner zweiten Runde.

Während der Himmel bereits dunkler wird und die ersten Lichterketten Farbe bekennen, mache ich mich auf die Reise. Erkenne Abschnitte wieder und entdecke Schaffreunde neu. Erste Lichter reihen sich wie Perlenketten aneinander, während meine Kette fröhlich vor sich her rattert. Als ich erneut auf das Camp zusteuere, ist bereits Ruhe eingekehrt.

Nachtfahrtenzeit.

Wir haben uns dazu entschieden, durch die Nacht den Fahrerrhythmus zu wechseln. Statt wie gewohnt in der Reihenfolge 1-2-3-4 zu fahren, wechseln sich nun zuerst Fahrerin 1 und 2 ab und in der zweiten Hälfte der Nacht Fahrerin 3 und 4. Weniger müde als euphorisch lege ich mich in Mr. Camper und warte ungeduldig auf die dritte Runde.

Der Wind schlägt gegen das Zelt, als ich meine Lichter montiere. In fast schon mystischer Ruhe findet der dritte Wechsel statt. Ich schwinge mich auf mein Rad und beginne zu genießen. Die Anspannung ist der Freude gewichen, die Stimmung der Stille. Nur vereinzelt rasen Maschinen an mir vorbei, einzelne Fahrer mit Boxen auf dem Rad. Ich fahre vorsichtiger, spüre die Müdigkeit bergab in Wellen heranschwappen.

Je langsamer ich bergab fahre, desto länger wird der Berg.

Tanzende Lichter tun sich vor mir auf, als die Hohe Acht stetig näher kommt. Ich schalte runter, darauf bedacht alles mit äußerster Vorsicht zu tun. Obwohl vor allem in der Nacht mehr Besenwagen die Strecke säumen, die einen bei einer Panne samt Rad zurück ins Camp bringen würden, bin ich wenig scharf darauf, im Dunkeln am Fahrbahnrand zu winken. Und so pedaliere ich mich auf zu blinkenden Lichtern und erhellenden Bässen.

Nach nur einer Stunde Pause wartet die nächste Runde auf mich. Der Himmel legt einen rosa Filter über Augenringe und Ringpausen. Froh, nicht lange zitternd im Stuhl zu sitzen, steige ich aufs Rad. Mein Herz geht auf, als ich die ersten Strahlen auf der Haut spüre. Ich genieße – jede Sekunde, jeden Moment – und spüre, dass ich hier genau richtig bin.

Wer später bremst, ist länger schnell.

Mehr und mehr traue ich mich bergab schneller zu fahren. Die Beine schreien, das Herz lacht. Auf der Zielgeraden spüre ich deutlich, dass der Wind deutlich zugenommen hat. Immer wieder schlägt mir eine Böe ins Rad und meine Haare ins Gesicht.

Im Camp wird es lauter. Nicht nur die anderen lieben Campmitglieder, sondern auch der zunehmende Wind scheint geweckt zu sein. Mit fortschreitender Zeit werde ich skeptischer, ob ich noch eine letzte Runde fahren kann. Und will. Windwarnungen werden ausgesprochen, Zelte abgebaut.

Als wir überlegen, ob wir gemeinsam eine letzte Runde fahren, wird uns die Entscheidung abgenommen.

Rennabbruch wegen Rettungsaktion. Ein Fahrer ist gestürzt.

Beruhigt als alle unsere Campteilnehmer wieder sicher vereint sind, tröpfelt langsam die Erkenntnis zu mir durch. Es ist vorbei. Das Rennen. Das Wochenende. Die Zeit, mit neuen Bekanntschaften und tollen Menschen. Einem Team, das sich gemeinsam durch die Nacht gekämpft hat.

Stolz und etwas wehmütig nehme ich meine Medaille entgegen. Und weiß, dass ich nicht das letzte Mal auf diesem großartigen Radfestival „Rad am Ring“ gewesen bin.

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Rad am Ring – Mein erstes 24-Stunden-Rennen im Staffelteam

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6 Gedanken zu „Rad am Ring – Mein erstes 24-Stunden-Rennen im Staffelteam

  1. Besser kannst du es nicht beschreiben-beim Lesen bekommt Mann Gänsehaut-gerade da wir life dabei waren !wir haben und deinen Bericht ausgedruckt-vielen Dank!

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