0
(0)

Ein Nachtlauf.

Schwarze Nacht – leuchtende Stirnlampen. Der Blick ist im schwachen Lichtschein auf die Wurzeln direkt vor mir gerichtet, die immer wieder plötzlich aufzutauchen scheinen. Mein Lichtkegel streift verschieden-farbige Laufschuhe, die sich ihren Weg durchs Dunkel bahnen. Ich bin nur auf mich konzentriert und versuche Umrisse zu erahnen – Möchte nicht erneut auf der unebenen Strecke umknicken. Meine Uhr zeigt 2 Uhr früh an. Die Hälfte der Strecke ist fast geschafft…

Unter dem Motto „From Dusk till Dawn“ (zu deutsch: Von der Abenddämmerung bis zum Morgengrauen) organisiert Holger von Trampelpfadlauf (www.trampelpfadlauf.de) seit 6 oder 7 oder vielleicht auch schon 8 Jahren einen Traillauf bei Nacht. Ursprünglich aus der Idee geboren, dass es nicht verkehrt wäre, für einen Ultra auch mal nachts laufen zu üben, hat sich das Ganze schnell zu einem kleinen, aber feinen Gruppenlauf entwickelt. Gemeinsam lässt es sich in der tiefsten Nacht einfach besser munkeln, schunkeln und laufen. Und da das Morgengrauen manchmal ganz schön auf sich warten lässt, kommen jedes Mal circa 45 km und zwischen 1300 und 1500 Höhenmeter auf den wunderschönen Eifeltrails zusammen.

Nach Diskoschläfchen, Abendstück ( = Frühstück am Abend) und mit einem Notfallpulli bewaffnet, sind wir auf die Minute genau pünktlich um 23.15 Uhr am Treffpunkt. Gemeinsam mit 11 anderen Nachttrailern und Holger wollen wir uns durch die Finsternis kämpfen. Alleine hätte ich mich vermutlich nicht getraut, nachts durch den Wald zu laufen. Schließlich weiß man nie, welche bösen Geister einen erwarten. Aber gemeinsam mit einer Gruppe wird das Ganze zu einem spannenden Abenteuer. Ich bin aufgeregt und trete von einem Fuß auf den anderen. Gut, dass das keiner im Dunkeln sehen kann.

Man kann sich zwar Stirnlampen ausleihen, aber da ich meine eigene Lampe noch nicht getestet habe, lehne ich dankend ab. Bereits auf dem ersten Kilometer geht mir ein Licht auf und ich merke, dass der Plan mit meinem Licht dann doch nicht so richtig aufgeht. Irgendwie leuchten nämlich alle anderen Lampen heller oder anders ausgedrückt:

Selbst ein Streichholz scheint mehr Licht zu spenden als meine Lampe

Aber da nun mal nicht jeder eine Leuchte ist und man als echter Trailläufer den Weg ja auch einfach spüren kann, mache ich mich im Schummerlicht auf die Reise. Ist ja auch irgendwie viel romantischer. Nach einem „Photostop by night“ folgt der erste wunderschöne Singletrail.

Na tolle Wurst…

Mehr oder weniger leichtfüßig fliegen wir über Wurzeln, Grasbüschel und kleinere Steine. Da ich eher der Sorte „weniger leichtfüßig“ angehöre und dabei ja auch noch quasi im Blindflug unterwegs bin, knicke ich schon bei Kilometer 3 um. „Hast du dir weh getan?“, fragt eine Stimme hinter mir. – Neeeein, natürlich nicht. Alles gut. Mit schmerzerfülltem Gesicht stolpere ich die nächsten Meter weiter.

Es sind ja jetzt auch nur noch 42 Kilometer – da wäre Aufhören keine Option.

Es geht weiter durch den dunklen Wald. Das Tempo ist zügig, es wird nicht lange angehalten und auch nicht viel gesprochen. Jeder ist mit sich und dem sich windenden Weg beschäftigt. Es geht kleinere Hügel hoch und herunter. Der Pfad ist mit Wurzeln und kleineren Felsen durchzogen. Auch ich versuche hochkonzentriert alles im Blick zu behalten und möglichst wenig an meinen Knöchel zu denken. Die Stille, die Dunkelheit und das erst kurzfristige Sehen von Hindernissen ist zermürbend für mich. Dazu kommt mein kleiner Angstkopf, der sich immer wieder Sorgen darüber macht, den Anschluss zu verlieren oder andere aufzuhalten.

Der Wald um mich herum ist finster. Ich stolpere mich über spitze oder wahlweise rutschige Steine voran. Kurz darauf bleibe ich fast in einem Matschloch stecken, dass im Licht meiner Lampe zunächst so vertrauenserweckend wirkte. Ich versuche abzuschalten und die Geräusche um mich herum wahrzunehmen. Es ist eine ruhige Nacht und kein Stern am Himmel zu sehen. Die Ruhe ist fast schon gespenstisch.

Nach etwa 10 km wird der Weg breiter und ich klinke mich in die Gespräche der anderen ein. So geht mir alles schon leichter von der Schuhsohle. Während ich auf die Wege oder Gespräche konzentiert bin und immer dem Licht vor mir folge, fliegen die Kilometer daher. Obwohl wir den einen oder anderen steileren Anstieg bewältigen, fühle ich mich noch immer frisch und ausgeruht. Ich freue mich über die ruhige Nacht, die wunderschönen Wege und bin fast erstaunt, dass wir gleich schon unseren Wendepunkt in Einruhr erreichen. Im Dunkeln habe ich die Distanz viel kürzer wahrgenommen und auch jegliche Hunger- und Durstbedürfnisse waren nicht präsent. Bei Kilometer 21,5 km machen wir eine kurze Trink- und Riegelpause. Es ist Halbzeit.

Der kalte Teil der Nacht?

Es ist ca. 2 Uhr früh. Viele haben mich im Vorfeld gewarnt, dass ab dem Zeitpunkt die Müdigkeit einsetzt und nun das Frieren beginnt. Na das ist doch genau mein Ding. Nach 10 Minuten Pause im Tal geht es wieder steil den Berg hinauf (Eifelsteig Etappe 3 lässt grüßen). Der Himmel zeigt sich noch immer in seinen schönsten Schwarztönen. Ich verstolpere mich oft auf den schmalen Pfaden, genieße es aber trotzdem sehr im hier und jetzt zu Laufen. Ich erfahre mehr über die Erfahrungen der anderen und natürlich bleibt auch immer Zeit, um über die wichtigen Dinge des Lebens wie Glitzerschnürsenkel und Rentiere zu schwadronieren. Von Müdigkeit noch keine Spur.

Das Bergablaufen fällt mir jedoch trotzdem zunehmend schwerer: Zum einen habe ich Sorge, dass ich bei plötzlichen Überraschungen einfach den Berg hinuntersegel. Zum anderen bereitet mir mein Knöchel größere Schmerzen, als ich es zugeben würde. So eier ich mehr die Hügel hinunter, als dass ich einfach mal rollen lasse. Zum Glück tapse ich immer wieder überraschenderweise in Pfützen oder Bäche, die meinen warm gebremsten Fußsohlen Abkühlung verschaffen. Kilometer 35.

Fast schon meditativ und immer auf Vogelstimmen lauschend, die das Ende der Nacht markieren sollen, laufen wir unserer Wege. Wir müssen bis Punkt 5.00 Uhr warten:

Schichtwechsel – Beginn der Kurzarbeit in der Vogelwelt

Der Himmel graut, die Vögel zwitschern und erste Farben zeichnen sich ab. Die Luft erscheint mir kälter und die Beine werden schwerer. Nur noch ein kleiner Anstieg bis wir eine Lichtung erreichen, die in den wildesten Rosatönen leuchtet. Es ist Morgen.

Die Nacht weicht dem Tag. Der Weg weicht dem Ziel.

Nur noch wenige Kilometer trennen uns von unserem Bier, einer warmen Dusche und einem tollen Frühstück bei Holger und seiner Frau Ina. Die letzten Kilometer holen wir nochmal alles aus unseren Beinen raus, biegen noch um eine oder zwei letzte Ecken und stehen plötzlich da, wo wir gestartet sind. Im Hellen. Noch vor 6 Uhr morgens. Mit knapp 44 Kilometern in den Beinen, einem Kopf voller Gedanken und vielen farbenfrohen Erfahrungen. Danke für die wunderschöne Nacht. Selten hat sich ein Mini-Ultra so kurzweilig und aufregend angefühlt.

Wie hilfreich war dieser Beitrag?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Farbenlos – durch die Nacht

Beitragsnavigation


6 Gedanken zu „Farbenlos – durch die Nacht

Schreibe einen Kommentar zu eifelsportlerin Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert