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Mühsam kämpfe ich mich das Kopfsteinpflaster empor, während mein Rad in einer Neuauflage von „Kästchenhüpfen“ hin und her springt. Ich quäle mich weiter – Versuche eine Linie zu finden, einen geraden Halt auf rundem Stein. Die Zuschauer am Wegesrand peitschen uns hinauf – auf zu unserem letzten kleinen Anstieg an diesem Tag. Nur noch wenige Meter trennen mich vom rettenden Asphalt. Un‘ ming Hätz danzt.

Über die Veranstaltung „Rund um Köln“

Damals, als Sportwettkämpfe noch Männern vorbehalten waren und die Kochtöpfe den Frauen, wurde das Radrennen „Rund um Köln“ ins Leben gerufen. Heute, 115 Jahre später, stehe ich im Startblock des ältesten noch stattfindenden Eintagesrennen in Deutschland und die Kochtöpfe zuhause: Neben einem Elite-Rennen, gibt es zwei Velodom Touren zur Auswahl (130 km und 70 km Länge) sowie eine breitensportlich orientierte Straßenrunde mit 30 km Länge. Und ich mir die Frage, was zur Hölle ich hier eigentlich zu suchen habe.

Startnummernausgabe – Oder auch: Bauch-Fledermaus-Bewältigungsprogramm

Im Prinzip ist die Sache mit der Startnummernausgabe überall gleich – Mit der einzigen Ausnahme, dass es bei einem Radrennen statt einer direkt drei Startnummern gibt und was mir persönlich ganz besonders sympathisch ist: Anstelle langer Frauentoiletten-Warteschlangen lange Herrentoiletten-Warteschlangen.

Du bess die Stadt am Rhing, däm jraue Strom. Du bess verlieb en dinge staatse Dom. Du bess en Jungfrau und en ahle Möhn. Du bess uns Stadt un bess einfach schön. (Black Fööss)

Noch drei, zwei, eins – Los!

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals als es endlich losgeht. Ein letztes Hochschalten und Start! In einer Mischung aus Mario Kart und Tetris rasen wir aus der Stadt heraus. Die Sonne scheint mir ins Gesicht und mein Rad funkelt im Licht. Hochkonzentriert zirkel ich mich durch Lücken und an Spurrillen vorbei. Überquere rote Ampeln und Tunnelunterführungen. Der Boden ist gesäumt von Kanaldeckeln und bei jeder Bodenwelle bin ich mir sicher, dass mein Rad mindestens in zwei Hälften gebrochen ist – wenn nicht sogar drei.

Erst nach einigen Kilometern finde ich in meinen Tritt hinein. Die Luft riecht nach frisch gemähten Gras und warmer Fahrtwind umschwirrt mein Gesicht. Nachdem ich mich anfänglich wie im Landeanflug mit Einweisern und Fluglotsenkommandos fühlte, finde ich mehr in die Ruhe zurück. Genieße die Geschwindigkeit, das Lachen, die Momente bei mir.

Die Strecke führt uns weiter bis ins Bergische Land. Ich versuche mich an Zoi, einer unglaublich lieben Startblockbekanntschaft zu halten und ihr Tempo mitzufahren. Meine Beine weinen schon jetzt und ich versuche mich heimlich an ersten Windschattenversuchen.

Woran erkennt man einen glücklichen Radfahrer?

An den Fliegen zwischen den Zähnen.

Unsicher, ob mir diese Art der Fortbewegung gefällt, habe ich das Gefühl jedes Mal komplett aus dem Rhythmus zu kommen und bleibe lieber bei Gummibärchen-Gesprächen und Fliegenmahlzeiten.

Bergzeit. Oder auch: Et Kölsche Driejestirn

Obwohl „Rund um Köln“ nach einer ziemlich flachrheinischen Geschichte klingt, erwarten uns sehr zu meiner Überraschung drei kurze aber knackige Anstiege (circa 550 Höhenmeter auf 70 Kilometer)

In Serpentinen führt uns der erste Berg durch den Wald. Während ich schwitze und schnaufe, bin ich überwältigt von den vielen Jubelrufen, Musikgetümmel und Straßenmalereien, die uns Kehre für Kehre erwarten. Die Bäume werfen tanzende Schatten auf den Asphalt und ich ein breites Strahlen zurück. Oben angekommen folgt eine rasante Abfahrt, die bei den anderen komischerweise etwas rasanter ausfällt.

Der zweite Anstieg lässt nicht lange auf sich warten und ist fast wie ein Sommerkleid: Kürzer und knackiger. Im Wiegetritt strampel ich mich zwei stimmungsvolle Kurven hinauf und brause mit einem rot-aufblinkenden Tempolimitschild „zu schnell“ die nächste Abfahrt hinab. Angetrieben von meinem kleinen Geschwindigkeitsrausch finde ich mich viel zu schnell im letzten Berg wieder. Nicht sicher, ob ich jetzt Jungfrau oder Bauer bin, kämpfe ich mich über Straßenpflaster und Pflastersteine. Mein Rad ächzt und tanzt und wird nur durch das laute Geschrei der Menge übertönt. Oben angekommen scheint mir das Schloss ins Gesicht und der Dom in den Rücken. Das Leben ist schön.

Schlusssprint

Frei nach dem Motto „Wer später bremst, ist länger schnell“ ziehen die Kilometer ins Land. Von den 130 Kilometer-Kolonnen werde ich auf der immer voller werdenden Strecke an den Rand der Fahrbahn gepresst – brettere hochkonzentriert über Asphaltteppiche und Fahrbahnrillen. Ein letztes Mal kreuze ich den Rhein, ehe ich mich wie ein kleines Honigkuchenpferd auf Rädern an den Schlusssprint begebe. Und fassungslos vor Glück über die magische Ziellinie rolle.

Köln – Es war schön bei dir.

Mehr Infos zu Rund um Köln unter https://www.rundumkoeln.de

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Rund um Köln – oder auch: Mein erstes kleines Rennradrennen

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2 Gedanken zu „Rund um Köln – oder auch: Mein erstes kleines Rennradrennen

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