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Gifttropfen Alarm voraus! Bitte Kopfbedeckung tragen…

Tiefe Dunkelheit umgibt uns, als wir die Insel „Marie-Galante“ nach Bustransfer und Fährüberfahrt erreichen: In der einzigen Toilette und Waschgelegenheit unseres Strandschlafplatzes funktioniert kein Licht, das Essen lässt auf sich warten und 23 laufverrückte Menschen haben Hunger. Großen Hunger! Während ich mich also langsam in den Hauptcharakter des Liedes „Wer hat die Kokosnuss geklaut?“ verwandle:

„Die Affen rasen durch den Wald, der eine macht den anderen kalt, die ganze Affenbande brüllt“,

werden wir langsam aber sicher zu einer Art französischem Dschungelcamp. Ungeduldig tigern wir zwischen Pop-Up-Zelt und Routenplanung über den feinen Sandstrand, hören nur mit einem Ohr beim Briefing zu, bis … wir uns endlich auf Fisch und Reis stürzen können.

Etappe 2 – Insel Marie-Galante

13 km mit 250 Höhenmetern

Von der Sonne um kurz vor sechs geweckt, beginnen die Tage hier früh. Doch mit Kaffee im Bauch und einem Strahlen im Gesicht stehe ich um 8 Uhr an der Startlinie und versuche die letzten wichtigen Instruktionen aus dem Wirr-Warr an französischen Wörtern herauszuhören: Gelbe Punkte, dem Strand folgen, giftige Pflanzensäfte, die auf uns herab tropfen. Giftige was? Nach einer kurzen Rückversicherung, die mir bestätigt, dass mein Französisch besser ist als meine Pflanzenkunde, stehe ich kurz darauf mit Mütze bereit. Das kann bei meinem Glück ja heiter werden…

Wir zählen die letzten Sekunden herunter… Trois, Deux, Un, Peng! Wie ein bunter Bienenschwarm laufen Hüte und Mützen, Cappies und wedelnde Buff-Tücher an mir vorbei, tiefer in die Insel hinein. Den ersten beiden Kilometern folgen einer Straße und biegen dann zu einem steilen Aufstieg auf einen Forstweg ab. Schweißtropfen bahnen sich ihren Weg durch Staub und Sonnenmilch, während ich mich emporkämpfe.

Die Sonne brennt auf uns herab und in meinen Beinen lodert das Feuer.

Oben angekommen geht es im Downhill hinunter in den Wald. Auf einem Sandweg schlängeln wir uns an der Küstenlinie voran. Ich tippel über Wurzeln und Steine, vergesse die Zeit und bin nur bei mir. Mein Blick gleitet über das satte Blau des Meeres, das uns den gesamten Rückweg begleitet. Spüre die warme Sonne auf der Haut. Ich bin glücklich. Entspannt laufe ich einige hundert Meter über den wunderschönen Sandstrand, ehe es mich zurück in den Wald führt. Etwas argwöhnisch betrachte ich die rot-markierten Bäumen, deren Äste bedrohlich wie eine startende Taube über mir baumeln…

Glück gehabt! Ganz ohne Giftangriffe hüpfe ich weiter über die Trails

Viel zu früh lockt uns der Weg zurück auf die Straße. Die Hitze flirrt vor mir und ich versuche mich wegzuträumen. Nur noch ein paar hundert Meter. Schritt für Schritt nähere ich mich dem Ziel – Und habe es endlich geschafft. Ich werfe Schuhe und Weste von mir und renne ins türkisblaue Meer.

Wasserschildkrötenfreunde

Als wir kurz vor der Abreise noch eine Runde im Meer baden, schwimmt direkt unter uns eine große Wasserschildkröte ihre Bahnen. Als würde sie uns verabschieden wollen, dreht sie einige Runden um uns herum, bis sie in den Tiefen des Meeres verschwindet. Au revoir Marie-Galante, es war schön bei dir.

Etappe 3 – Insel La Désirade

21,1 km mit 500 Höhenmetern (Die Königsetappe)

Die Fährüberfahrt war schlimm. So schlimm, dass noch am nächsten Morgen meine Beine schwanken und der Magen kleine Protesthüpfer macht. So schleppe ich mich mit nur wenig Begeisterung an die Startlinie. Heute liegt die längste und mit Abstand heißeste Etappe vor uns und ich würde mich am liebsten zurück ins Zelt schleichen.

La Désirade bedeutet so viel wie die Ersehnte. Sie erhielt ihren Namen als Kolumbus nach einer entbehrungsreichen Überfahrt die kleine Insel entdeckte (Quelle:www.wikipedia.de) und ein bisschen kann ich seine Gefühle nachempfinden.. Sie gilt als eine der kleineren Inseln und besitzt neben einem Berg, einem gigantischen Strand und viel schwarzem Stein nur eine einzige Hauptstraße.

Die Sonne brennt auf uns hinab, als wir uns kurz nach dem Start an den ersten langen Anstieg machen. Doch mit jeder Serpentine spüre ich die Kraft zurückkehren. Am höchsten Punkt, der Kalvarienkapelle, angelangt, finde ich endlich in meinen Trott zurück. Über staubige Sandwege folge ich dem Weg, der uns längs über den Berg führt. An dessen Ende fliege ich in den steilen Pfad hinab, jauchze und springe und lasse die Welt hinter mir.

Erst am Verpflegungspunkt nach zehn Kilometern traue ich mich mit meinem Hüpfemagen etwas zu trinken. Wie eine Verdurstende schütte ich Wasser in mich hinein und mache mich schließlich mit glucksendem Bauch auf in die kleine Steinwüste. Mit Blick auf das Meer, versuche ich auf Kuppen und in Hängen die Punkte auszumachen und verlaufe mich dabei ein ums andere Mal.

Erleichtert, wieder feste Straße unter den Sohlen zu haben, merke ich schnell, dass der eigentlich härteste Teil jetzt erst anfängt. In brennender Mittagssonne laufen wir 7 km lang auf einer Hauptstraße geradeaus und überqueren dabei fast die gesamte Insel.

Die Meter ziehen sich. Der Asphalt glüht unter meinen Sohlen und meine Flasks leeren sich wie von Zauberhand. Es geht immer wieder langgezogene Anstiege hoch und ich habe das Gefühl kaum voranzukommen. Ich blicke im Sekundentakt auf die Kilometeranzeige meiner Uhr. Es ist so heiß! Alleine die „Achtung Leguan“-Schilder halten mich bei Laune, doch als ich zwei Überfahrene auf der Straße entdecke, überlege ich mich einfach dazuzulegen. Ein Anwohner besprüht uns mit seinem Gartenschlauch und ich weine fast vor kühlender Erleichterung.

Zitat des Italieners Simone: „Why? Why? I’m not a flower. Why did he do that „sssh sssh“?“

Mit patschnassen Schuhen laufe ich weiter. Immer wieder fährt der Veranstalter samt Ärztin an uns vorbei und schaut nach dem Rechten. Als ich mich den letzten langen Anstieg mit müden Beinen hochschleppe und den kleinen Hafen in weiter Ferne ausmachen kann, rase ich gefühlt die letzten Meter hinab – Und sitze schließlich mit qualmenden Socken, strahlend und sonnenverbrannt im Ziel.

Den übrigen Tag verbringen alle Teilnehmer im Schatten und ich versorge meine mittlerweile doppelt so groß gewordene Blase. Im Ort finden wir Eis und Chips und viel goudeloupische Fröhlichkeit. Die Menschen sind hier ausgenommen herzlich und hilfsbereit und strahlen mit der Sonne um die Wette. Als es am Abend zudem das erste Mal Pizza gibt, fühle ich mich wie im siebten Himmel. Und bin gespannt, was uns der nächste Tag bringen wird.

Fortsetzung folgt…

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