Der Dunst hängt tief im Blättermeer und ich hinterlasse mit jedem Schritt meine Fußabdrücke im feuchten Morast – fliege einen kleinen Trampelpfad den Berg hinab. Die schmalen Waldwege sind von einer kühlen Nässe überzogen, während ich mich über Wurzeln und Steine kämpfe, tief in meine kleine Gedankenwelt versunken bin. Da passiert es: Ich folge dem Weg, der mich um eine kleine Kurve führt und springe beherzt auf die von Feuchtigkeit durchtränkte Holzbrücke. Und merke im selben Moment, dass dies vielleicht nicht die beste Idee war …
Neuer Tag – Neues Kapitel
Nach einer ruhigen Nacht und viel Kletterei ins Dachzelt von Mister Camper, startet der Morgen taufrisch. Bei Brot, Kaffee und einer öffentlich zugänglichen Toiletten besprechen wir die noch leere Seite des heutigen Tages und somit das nächste Kapitel unserer Eifelsteigtour. Die letzten drei Etappen liegen noch vor uns und die Motivation das Buch langsam abzuschließen ist hoch. Und vielleicht liegt es nur an dem fröhlichen Kuchenfrühstück oder aber an den vielen Laufschmetterlingen in meinem Bauch: Aber ehe ich mich versehe, haben wir Camper und Auto umgeparkt und damit besiegelt, dass wir heute Etappe 13 und 14 mit 51,3 km und circa 1000 hm Aufstieg und 1100 hm Abstieg laufen werden.
Etappe 13: Von Abtei Himmerod bis Bruch
20,5 km mit 220 hm Aufstieg und 330 hm Abstieg
Es kann losgehen. Über breite Wirtschaftswege folgen wir den kleinen grünen Schildern über weite Wiesen und durch luftige Wälder. Die Beine des gestrigen Tages fühlen sich noch müde an, der Bauch hungrig. Obwohl die Höhenmeter des Eifelsteigs auf dem Papier zunehmend weniger werden und es tendenziell mehr bergab ab, fürchte ich jeden kleinen Anstieg des heutigen Tages. So gefällt es mir für den Moment ziemlich gut, dass die Wege mich in sanften wellenformen an Dörfern und Städten vorbeiführen und ich bald tief in Gedanken versunken bin.
Aufwachen, Umleitung!
Nach dem wir uns unfreiwilligerweise selber umgeleitet haben, indem wir an einer Abzweigung vergessen haben den Blinker zu setzen und geradeaus den Berg weiter hochgetrabt sind, stehen wir nun nach einigen Zusatzkilometern vor einem rot-weißen Flatterband.
„Durchgang für Fußgänger und Radfahrer gesperrt“
Die Sägen schrillen durch den Wald und in mir schrillen die Alarmglocken. Eine Umleitung ist unausgeschildert, ein Umkehren nicht schildernswert. So beschließen wir ohne weiter darüber nachzudenken, alles aus unseren Beinen herauszuholen und Fersengeld zu geben. Schlüpfen wie in einen Tarnumhang gehüllt unter dem losen Band hindurch und geben Vollgas. Mit flatternden Umhängen fühlen wir uns wie auf der Flucht vor dem Sensenmann, der uns den Lauten nach zu urteilen, jeden Moment einholen könnte. Unter pochenden Herzen bahnen wir uns den Weg den Berg hinauf, während sich der Schweiß in großen Perlen den Weg über unsere Haut bahnt. Wir schnaufen und fluchen, weinen und ächzen. Und sehen kurz darauf endlich das Ende des gesperrten Wegstückes. Finisherfoto-Moment.
Pustekuchenglück.
Wir folgen weiter mit knurrenden Mägen und wilden Kuchenfantasien einem geteerten Asphaltweg bis nach Bruch – Doch statt Eis und Kuchen und Tankstellenglück, gibt es nur Wasser am ersten Wegesstück. Endlich am Eifelsteigschild angekommen, zerplatzt jäh der Traum einer glücklichen Tankstellenpause. Der Himmel verfinstert sich minütlich und so füllen wir händeringend unsere Flaschen am Trinkwasserbrunnen, kauen auf den letzten zähen Bissen eines Riegels herum und machen uns dann zügig und ohne Verpflegung auf zu Etappe 14.
Etappe 4: Von Bruch bis Kordel
27,8 km mit 500 hm Aufstieg und 530 hm Abstieg
Mein Magen hängt im Keller und meine Motivation gleich mit. Tapfer laufe ich in ein kleines Waldstück. Tippel über Wurzeln und Steine, ehe ich vor mir eine kleine holzbeplankte Fußgänger-Brücke sehe. Elegant wie ein Elefant im Porzellanladen springe ich leichtfüßig darauf und spüre im selben Moment wie mir jede Haftung fehlt. Wie auf Schmierseife rutscht mein Fuß zur Seite weg. Ich spüre mein Knie aufschlagen, meine Hüfte zur Seite wegbrechen. Sehe mich innerlich selber aufschlagen, während ich gleichzeitig versuche Halt zu finden, um nicht von der Brücke zu fallen. Ich brauche einen Moment, um mich selber zu orientieren. Versuche aufzustehen und vorsichtig von der Brücke zu gehen.
Hallo Tief.
Ich bin am Boden und das im wahrsten Sinne des Wortes. Ich versuche tapfer zu sein, über mein Missgeschick zu lächeln. Und spüre doch bei jedem Schritt, wie das Blut feuerrot in mein Bein schießt. Meine Seite ist aufgeschürft, die Schulter leicht geprellt. Es beginnt zu nieseln und ich entscheide, dass ich lieber schnell weiterlaufen möchte – Nicht darüber nachdenken will. Ich folge dem kleinen Pfad und bin erleichtert als ich merke, dass ich nun zumindest keinen Hunger mehr habe.
dav
Aus dem Nieselregen wird Minute um Minute ein ausgewachsener Regenguss. Wassermassen treiben den Berg hinab und ich übe mich im Bergaufschwimmen. Meine Haare kleben im Gesicht, während ich durch Pfützen tapse und mich von Baumkrone zu Baumkrone rette.
Leider geschlossen
An den vielen Eifelsteig-Gaststätten vorbei, die leider über Tag Mittagspause machen, laufe ich über asphaltierte Forstwege und an breiten Feldern vorbei. Quäle mich unter Regengeprassel Kilometer für Kilometer weiter. Die Beine fühlen sich schwer an und mein Kopf träumt von Pommes und Polenta.
Die letzten Kilometer sind angebrochen. Nach dutzenden Kilometern über Wirtschaftswege und an Ortschaften vorbei, geht es noch einmal steil bergauf. Über schmale Steige kämpfen wir uns an Brombeeren und Brennnesseln vorbei. Werden immer wieder in Schlangenlinien steil durch den Hang geführt, um kurz darauf wieder auf dem ursprünglichen Weg zu landen. Die Kilometer wollen nicht weniger werden und mein Kopf tanzt Mambo. An markanten roten Felsen vorbei, spüren wir endlich, dass die Stadt näher kommt. Mit letzter Kraft balancieren wir den schmalen Single-Trail bergab und sind mit einem Mal da.
In Kordel. In einer Pizzeria. Und schlussendlich in warme Decken eingehüllt. Und sind uns sicher, dass wir morgen den Eifelsteig beenden werden.
Wow, spannend und ein Glück bist du auf der Brücke gelandet und nicht im Wasser.
Ein toller Beitrag, Dankeschön 🍬
LG Marco
Danke fürs Lesen, lieber Marco. Oja, das wäre eine eiskalte Angelegenheit geworden 😯.
Starte gut in die neue Woche.
Liebe Grüße, Sara